Spielplanvorstellung 2023/2024 am Theater Bremen
33 Premieren in vier Sparten, darunter fünf Uraufführungen in Schauspiel und Musiktheater / Musiktheater mit neun Premieren und einem Schwerpunkt auf Musik aus dem 19. und 20. Jahrhundert / Ulrike Schwab kommt zurück nach Bremen, Elisabeth Stöppler gibt hier ihr Debüt / Kammersänger Karsten Küsters und Helmut Baumann als Gäste / Vier Uraufführungen im Schauspiel, darunter eine von Patty Kim Hamilton und Serhij Zhadan, der 2022 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels bekam / Tanz mit vier Neuproduktionen / Junges Theater mit sechs Inszenierungen und mehr Plänen für weitere Partizipationsformate
Mit 33 Premieren stellte das Theater Bremen heute für die neue Saison 2023/2024 einen vollen Spielplan mit insgesamt fünf Uraufführungen in Schauspiel und Musiktheater, vier Neuproduktionen im Tanz sowie sechs Premieren im Jungen Theater vor. Und das an einem besonderen Ort: in der mit einer Zuschauertribüne für insgesamt 200 Menschen neu ausgebauten Sommerspielstätte auf dem Goetheplatz. Dort geht das Theater in den kommenden Wochen zusätzlich zum Programm im Haus mit „Common Ground“ umsonst und für alle nach draußen.
„Ich möchte mich bei allen Kolleginnen und Kollegen hinter und auf der Bühne bedanken für das große Engagement, das Theater wiederzubeleben“, sagte Kulturstaatsrätin Carmen Emigholz in ihrem Grußwort: „Das Flaggschiff der Kultur meldet sich zurück. Das ist im bundesweiten Vergleich keine Selbstverständlichkeit, das gelingt nicht überall. Die Herausforderung war groß, und dass das hier am Theater Bremen gelungen ist, spricht auch für den Teamgeist rund um Michael Börgerding.“
Michael Börgerding, Intendant des Theater Bremen, beginnt die Pressekonferenz mit einem kleinen Rückblick auf die laufende Spielzeit. „Künstlerisch bin ich hochzufrieden, zufrieden bin ich aber auch mit den Zahlen“, so Börgerding, „wir erwarten zum Ende dieser Spielzeit 162.000 Zuschauerinnen und Zuschauer zu haben, das sind 90 Prozent dessen, was wir vor Corona hatten. Das freut mich sehr, vor allen Dingen, weil wir im Herbst noch sehr unter dem Eindruck der Pandemie gestartet sind und nicht wussten, was uns erwartet.“
Nachdem das Musiktheater sich in der laufenden Spielzeit zeitlich in einem breiten Spektrum zwischen alter und neuer Musik bewegt hat, gibt es in 23/24 eine Konzentration auf Musik aus dem 19. und 20. Jahrhundert. Die bei weitem älteste Oper, und eine von zweien, die nicht in dieses Zeitspektrum fällt, ist Mozarts „Titus“, uraufgeführt 1791, die im März 2024 in der Regie von Marco ©torman in Bremen Premiere feiern wird. Ihr gegenüber steht mit „Doctor Atomic“ von John Adams eine Oper aus dem Jahr 2005. Sie führt das Publikum in die Wüste des US-Bundesstaates New Mexico, nach Los Alamos, wo beim Trinity-Test des Manhattan-Projects die allererste Atombombe gezündet wurde. Die Musikalische Leitung übernimmt Musikdirektor Stefan Klingele, inszeniert wird „Doctor Atomic“ vom Leitenden Regisseur im Musiktheater Frank Hilbrich, der damit die Spielzeit im September 2023 eröffnet.
Für die beiden Premieren im Winter zeichnen in der Regie jeweils Frauen verantwortlich, was folgerichtig scheint, da es auch um Frauen geht, wenn auch nicht um die moralisch Gefestigsten ever: Elisabeth Stöppler inszeniert zum ersten Mal in Bremen, und zwar Verdis „Macbeth“. Der wird von seiner Lady in den Abgrund begleitet und/oder gezogen, um die Macht zu gewinnen und zu erhalten. Die Musikalische Leitung übernimmt Stefan Klingele. Der steht auch am Pult, wenn Ulrike Schwab mit Richard Strauss‘ „Salome“ im Februar Premiere feiert. Die Oper nach dem Drama von Oscar Wilde widmet sich einer über 2000 Jahre alten Figur, auf die gleichermaßen Begierde und Angst projiziert wird: eine Ikone weiblicher Macht und Gefährlichkeit.
Wohin Sehnsüchte und Enttäuschungen führen können, zeigt auch das nächste Werk: Eurydike, in die Unterwelt entführt, langweilt sich dort zunächst, doch als ihr Göttervater Jupiter als Fliege erscheint, beginnt sie Gefallen an der neuen Situation zu finden. Währenddessen wird ihr Mann Orpheus, der eigentlich froh ist, sie und die ehelichen Verpflichtungen los zu sein, durch den Druck der öffentlichen Meinung gezwungen, sie zu „befreien“. Mit Offenbachs „Orpheus in der Unterwelt“ steht seit einigen Jahren zum ersten Mal wieder eine Operette auf dem Spielplan und ein langjähriges Ensemblemitglied kehrt als Gast zurück: Kammersänger Karsten Küsters. Er teilt sich die Partie des Styx mit Musicalregisseur und Schauspieler Helmut Baumann. Am Pult der Bremer Philharmoniker steht William Kelley, Regie führt ebenfalls Frank Hilbrich, der im Mai auch Prokofjews „Die Liebe zu den drei Orangen“ auf die Bühne im Theater am Goetheplatz bringen wird.
Mit den Familienkonzerten und „Zählen und Erzählen“ sind auch zwei Formate für Kinder ab sechs Jahren mit im Spielplan. Zum fünften Mal ist das Theater Bremen in dieser Saison bei NOperas! dabei. Im Rahmen der Förderinitiative vom „Fonds Experimentelles Musiktheater“ (feXm) von NRW KULTURsekretariat und Kunststiftung NRW kommt „Freedom Collective“, Musiktheater von Davor Cincze, Premil Petroviæ, Aleksandar Hut Kono, Heinrich Horwitz und Magdalena Emmerig im Frühjahr ins Kleine Haus. Den Spielzeitabschluss fürs Musiktheater macht Tom Ryser auf dem Goetheplatz: Unter dem Titel „No Rain!“ initiiert er eine „Massenveranstaltung“ und geht der Macht der Emotionen in Fankurve, Demo oder Matschfeld nach … zu erleben ab Juni 2024.
Unter den 14 Schauspiel-Premieren sind vier Uraufführungen. So bringt Armin Petras im Februar 2024 „Die Erfindung des Jazz im Donbass“ auf die große Bühne im Theater am Goetheplatz. Die Romanvorlage stammt vom ukrainischen Schriftsteller Serhij Zhadan, der im vergangenen Jahr den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels bekommen hat. In der Uraufführung „Royals“ widmet sich Felix Krakau, der zum ersten Mal in Bremen arbeitet, den Königsfamilien und geht der Frage nach, warum sie eigentlich so viel Interesse auf sich ziehen. Zu sehen ab Oktober im Kleinen Haus. Ebendort kommt im November „Schmerz Camp“ von Patty Kim Hamilton zur Uraufführung, Regie bei dem Abend, der sich um chronischen Schmerz dreht, führt Christiane Pohle, die zuletzt hier in der Spielzeit 2013/2014 im Musiktheater „Pomp & Circumstance“ inszenierte. Die vierte Uraufführung ist die Romanadaption „Die Nachkommende“. Eigentlich schon für diese Spielzeit geplant, musste die Produktion krankheitsbedingt verschoben werden. Jetzt bringt sie die Autorin des Romans, Ivna ®ic, im Februar 2024 auf die Bühne.
Die Bühne im Theater am Goetheplatz gehört in der kommenden Saison den großen Familiengeschichten. Neben „Die Erfindung des Jazz im Donbass“ porträtiert mit „Vor Sonnenaufgang“ nach Gerhart Hauptmann der österreichische Dramatiker Ewald Palmetshofer eine Familie und zugleich eine Gesellschaft Vereinzelter, die nicht zueinander finden. Regie führt Klaus Schumacher, Premiere wird im April gefeiert. Zur Vorweihnachtszeit wirft Hausregisseurin Alize Zandwijk mit „Schöne Bescherungen“ von Alan Ayckbourn einen augenzwinkernden Blick aufs familiäre Geschehen unterm Weihnachtsbaum …
Zandwijks zweite Produktion kommt im Februar ins Kleine Haus: In „The Hours“ nach dem Roman von Michael Cunningham, der 1999 erschien und erfolgreich verfilmt wurde, werden die Geschichten dreier Frauen erzählt und miteinander verbunden. Die Frage nach dem weiblichen Blick stellen auch Regisseurin Caroline Anne Kapp mit „Don Quixote“ frei nach Kathy Acker und Miguel de Cervantes sowie Rahel Hofbauer mit „Emilia_Galotti“ frei nach Gotthold Ephraim Lessing.
Nach theatralen Expeditionen zum Artensterben, zu K.I. und dem Leben der Bienen entwickelt Felix Rothenhäusler zusammen mit den Musikern Jo Flüeler und Moritz Widrig mit „Wasserwelt. Das Musical“ eine musikalische Unterwasserreise auf den Spuren von Meeresforscher Jacques-Yves Cousteau. Als Regisseur zeichnet er in der kommenden Spielzeit auch für „Faust“ verantwortlich, ein Solo mit Siegfried W. Maschek, der seit 23 Jahren festes Ensemblemitglied am Theater Bremen ist. Mit „Bien Galoper“ bringen Gintersdorfer/Klaßen eine getanzte Personality Show rund um Macht und Mode ins Kleine Haus, zu sehen ab Mai 2024. Einen Monat später inszeniert dort Berfin Orman „Hawaii“ nach dem Roman von Cihan Acar. In seinem Debüt erzählt der Autor von einem Profifußballer, der durch einen Autounfall seine Karriere beenden muss und sich nun in „Hawaii“, einem Hochhausbezirk in Heilbronn, zurecht finden muss.
Und für alle großen und kleinen Zuschauer:innen ab 6 Jahren kommt im November mit „Emil und die Detektive“ von Erich Kästner ein echter Klassiker als Familienstück zur Weihnachtszeit ins Theater am Goetheplatz. Regie führt Nina Mattenklotz, die hier auch schon „Pippi Langstrumpf“ inszenierte.
Der Tanz zeigt vier neue Arbeiten, den Auftakt macht die argentinische Autorin, Theater- und Filmregisseurin Lola Arias. Sie geht mit den Unusual Symptoms der Frage nach, was uns Intimität und Begehren in der Sexarbeit über Machtverhältnisse in der kapitalistischen Gesellschaft erzählen. Arias hat bereits zwei Mal in Bremen Regie geführt, beide Male allerdings im Schauspiel, ihre jetzige Arbeit ist ihre erste Arbeit für eine Tanzkompanie. Premiere im September 2023 im Kleinen Haus.
Die Bedeutung zwischenmenschlicher Bindungen für unser Überleben beschäftigt den brasilianischen Choreografen Renan Martins in seiner Arbeit mit der Kompanie, zu sehen ab April 2024. Hauschoreograf Samir Akika wiederum möchte mit „Fools at Work“ das Verhältnis zwischen Performer:innen und Publikum in Frage stellen und die Hierarchien der Kunstproduktion neu verhandeln, er feiert Ende Januar Premiere. Den Saisonabschluss im Tanz macht Andy Zondag mit „Keine Ahnung“ nach einem Text der Regisseurin und Dramatikerin Nele Stuhler. Er experimentiert darin mit der Ahnungslosigkeit als Mittel der Welt zu begegnen, ab Mai 2024 im Brauhaus.
Neben Gastspielen unter anderem in Barcelona und München gehen die Unusual Symptoms durch das von der Kulturstiftung des Bundes geförderte „Tanzland“-Programm auch wieder auf die Reise nach Potsdam und Templin.
Im Jungen Theater Bremen drehen sich zwei Premieren um den Umgang von Kindern und Jugendlichen mit der Flut an Nachrichten, die täglich durch alle möglichen Medien auf uns einströmen. In Gwendoline Soublins „Und alles (Tout ça tout ça)“ ergreift ein Junge die Flucht vor all den bad news und „macht ne Pause“. Seine Babysitterin hat alle Mühe, ihn mit guten Nachrichten und netten Gesten zum Wiederauftauchen zu bewegen. Regie bei dem Stück für alle ab 9 Jahren führt der dem Moks seit Langem verbundenen Theo Fransz, Premiere im September im Brauhaus. Nathalie Forstman untersucht derweil mit den Jungen Akteur:innen in „Wonderland“ nach Motiven von Lewis Carroll, wie man angesichts der Weltsituation nicht im Rabbit Hole verschwinden will. Für Menschen ab 14 Jahren ab Januar im Brauhaus zu sehen.
Das Verhältnis zum eigenen Körper, zur Sexualität und zur Familie steht bei drei anderen Produktionen im Mittelpunkt. Bei Yeºim Nela Keim Schaubs Inszenierung von „Eddy (oder ein anderer)“ nach Motiven von Édouard Louis geht es um die Frage, wie es ist, als queerer Junge auf dem französischen Land aufzuwachsen. Zu sehen im Brauhauskeller ab Oktober für alle ab 14 Jahren. Die Choreografin Birgit Freitag begibt sich derweil mit dem Ensemble in „Wunderwerke“ auf die Suche nach dem, was Körper alles (sein) können. Für alle Menschen ab 6 Jahren feiert die Produktion im Februar im Brauhaus Premiere. Katharina Bill macht mit den Jungen Akteur:innen und „Prinz*essin“ ein Stück über Vereinzelung in einer von zufälligen Privilegien bestimmten Welt: zu sehen für alle ab 14 Jahren im Brauhauskeller. Zuletzt beschäftigt sich das Kollektiv Arnold&Bianca in „Chaos!“ mit Unordnung und Unkontrollierbarkeit. Premiere Ende April im Brauhaus für Zuschauer:innen ab 12 Jahren.
Den kompletten neuen Spielplan gibt es auf der Theater Bremen-Homepage.
Pressemeldung von Theater Bremen