Wenn Heimatliebe durch den Magen geht
„Wenn’s Kochen soll gelingen, hab Freude am Vollbringen!“ Diese Worte ihrer Uroma begleiten Clara Baur, Absolventin des Studiengangs Digitale Medienproduktion an der Hochschule Bremerhaven, fast ihr ganzes Leben. Für ihre Bachelorarbeit hat sie die Liebe zu ihrer Heimat, ihrer Familie und zum Kochen zusammengeführt und ein Kochbuch mit ausgewählten Rezepten ihrer Uroma gestaltet. Dabei übersetzt sie die traditionellen Gerichte in ein modernes Layout. Eine kleine Auflage des Buchs mit dem Titel „Heimatküche“ hat sie bereits verkauft und den Erlös gespendet – für eine Organisation, die dafür sorgt, dass bedürftige Kinder nicht ohne Frühstück in die Schule gehen.
Mehrere kleine Büchlein befinden sich im Besitz von Clara Baurs Familie. Darin hat Uroma Charlotte Brand in Sütterlin mit Bleistift ihre liebsten Rezepte niedergeschrieben. Neben kostengünstigen und einfachen Alltagsgerichten sind dort auch aufwändigere Speisen zu finden. Nur eine kleine Auswahl der vielen Rezepte ist im fertigen Kochbuch gelandet. „Meine Oma hat die Rezepte häufig gekocht. Also habe ich viele davon in meiner Kindheit gegessen. Besonders gern mochte ich Dampfnudeln und Brühe mit Klößchen. Aber auch Forelle, Kasseler Rippchen oder ‚Blaue Zipfel‘, also Bratwurst, die in einem Sud ziehen darf, statt gebraten zu werden, sind typisch fränkische Gerichte“, sagt Baur. Diese Lieblingsgerichte, die sie an ihre Kindheit erinnern, hat Clara Baur in ihr Buch aufgenommen. Auch ein traditionelles Gericht, das man heute kaum noch servieren würde, hat einen Platz darin bekommen: Hirnsuppe. „Die habe ich nicht selbst probiert. Aber ich wollte auch zeigen, dass sich Ernährungsgewohnheiten im Laufe der Zeit verändern“, sagt Baur.
Die Esskultur hat in der Familie von Clara Baur immer eine wichtige Rolle gespielt. Ihre Uroma besuchte eine Hauswirtschaftsschule, um sich auf das Führen eines Haushalts und die Rolle als Hausfrau und Mutter vorzubereiten. „Die Lehre der Hauswirtschaft wurde als eine Fürsorgepflicht der Frauen verstanden. Trotzdem war der Besuch einer solchen Schule damals keine Selbstverständlichkeit, da dies sehr kostspielig war“, so Baur. Ihre Mutter ist Lehrerin für Ernährung und Gesundheit und hat Clara Baur schon früh Tischkultur und Kochen nähergebracht. Sich für ihre Bachelorarbeit mit dem Thema zu beschäftigen und so die „Heimatküche“ ihrer Uroma zu verewigen, war für Clara Baur daher eine Herzensangelegenheit. Dies zeigt sich auch bei der Gestaltung: Den Titel ihres Buchs ziert die Zeichnung eines menschlichen Herzens, dessen Gefäße sich bei näherem Hinsehen als Messer, Löffel und Gabel entpuppen.
Während ihres Studiums war der Schwerpunkt der Absolventin der Film- und Fotobereich. „Ich mag dennoch Printprodukte, hatte aber wenig damit zu tun. Für meine Abschlussarbeit wollte ich Fotografie und Print gern zusammenführen“, sagt Clara Baur. Daher arbeitet auch das Kochbuch mit großen Bildern der Gerichte. Diese sind größtenteils am Esstisch der Absolventin entstanden. „Ich habe versucht, bei den Fotos Tradition und Moderne zu verbinden, zum Beispiel durch die Kombination von modernem Geschirr und altem Besteck. Auch das Layout ist modern, soll aber nicht clean wirken. Daher habe ich an verschiedenen Stellen die Originalschrift meiner Uroma eingearbeitet.“
Für den wissenschaftlichen Teil ihrer Bachelorarbeit hat Clara Baur sich mit der Frage beschäftigt, wie sich das Design von Kochbüchern im Laufe der Zeit verändert hat. Unterstützung erhielt sie hierfür von einem bekannten deutschen Unternehmen: Dr. Oetker. „Ich habe überlegt, wie ich am besten an möglichst viele Kochbücher und Rezepte komme, um diese analysieren zu können. Dabei ist mir sehr schnell Dr. Oetker eingefallen. Ich habe eine Anfrage formuliert, aber gar nicht damit gerechnet, dass ich so schnell eine Antwort und dann auch noch eine Zusage bekomme.“ Das Unternehmen hat einen großen Datenpool an Rezepten, die seit 1890 veröffentlicht wurden, für die Analyse zur Verfügung gestellt. Das Ergebnis: Nicht nur die Schrift und die Bildgestaltung haben sich im Laufe der Jahrzehnte verändert, sondern auch die Rezepte selbst. „Essen hängt immer auch mit gesellschaftlichen Entwicklungen zusammen. Anhand der Rezepte lassen sich Trends nachvollziehen, die es gab. Zum Beispiel: Als immer mehr Mikrowellen in die Haushalte eingezogen sind, wurden auch mehr Mikrowellenrezepte veröffentlicht. Und in den 60er Jahren wurde mit den damals typischen Farben in der Gestaltung gearbeitet“, fasst Baur zusammen.
Dank der finanziellen Unterstützung der Dieckell-Stiftung konnte Clara Baur nicht nur die für ihre Prüfer:innen vorgesehenen Exemplare ihres Kochbuchs anfertigen, sondern auch eine kleine Auflage drucken lassen. Diese hat sie bereits verkauft – und mit dem Erlös die Organisation brotZeit e.V. unterstützt. „Nur durch die Förderung der Dieckell-Stiftung war es mir möglich, das Buch so drucken zu lassen, wie ich es mir vorgestellt habe. Es hat ein Sonderformat mit offenem Buchrücken, einer Prägung und wurde auf auf zertifiziertem, nachhaltigem Papier gedruckt. Daher wollte ich auch selbst mit dem Geld, was ich durch den Verkauf einnehmen konnte, etwas Gutes tun. ‚BrotZeit‘ kümmert sich darum, dass bedürftige Kinder in der Schule ein Frühstück bekommen, die zu Hause aus unterschiedlichen Gründen nicht frühstücken können. Mir war es wichtig, dass ich eine Organisation unterstütze, die sich mit dem Thema Essen auseinandersetzt“, sagt Baur.
Im Handel gibt es das Buch derzeit nicht. „Die Druckkosten sind leider so hoch, dass ich das Buch nicht selbst drucken lassen und verkaufen kann.“ Clara Baur ist daher auf der Suche nach einem Verlag, der das Kochbuch ihrer Uroma herausgeben möchte.
Mit Begeisterung studieren, lehren und forschen – dafür steht die Hochschule Bremerhaven. In mehr als 20 praxisnahen und innovativen Studiengängen profitieren die rund 3.000 Studierenden von der engen Zusammenarbeit mit der regionalen Wirtschaft und modernen Lehr- und Lernansätzen. Die zahlreichen Forschungsaktivitäten der „Hochschule am Meer“ wurden bereits vielfach ausgezeichnet und unterstützen nachhaltige Entwicklungen in der Region und darüber hinaus.
Pressemeldung von Hochschule Bremerhaven