Kidstime hilft Kindern psychisch erkrankter Eltern

Kidstime hilft Kindern psychisch erkrankter Eltern

Kidstime hilft Kindern psychisch erkrankter Eltern

Oldenburg. Kidstime – eine Zeit für und mit Kindern – ist ein Angebot für psychisch belastete und erkrankte Eltern und ihre Kinder. An jedem dritten Freitag im Monat treffen sich betroffene Familien und geschulte Fachkräfte in der Gemeinwesenarbeit Bloherfelde zu Austausch, Spiel und einem gemeinsamen Essen. „Das Bedürfnis der Kinder und Jugendlichen nach Informationen zur Erkrankung der Eltern und Unterstützung wurde lange Zeit übersehen. Hier setzt das Angebot Kidstime an“, erklärt Petra Bremke-Metscher, Bereichsleitung Frühe Hilfen/Prävention im Amt für Jugend und Familie. Aus der Begleitforschung und von den Familien selbst weiß man, dass sie von Kidstime sehr profitieren und das Angebot gerne wahrnehmen – Eltern wie Kinder und Jugendliche unterschiedlichster Altersgruppen, und nicht selten auch Großeltern und weitere Angehörige, die stets mit eingeladen sind. So ist aus den Workshops immer wieder zu hören: „Hier wird man verstanden, denn die anderen plagen ähnliche Probleme.“

Welche Auswirkungen hat die Erkrankung eines Elternteils auf die Kinder?

Kinder und Jugendliche sind oft auf sich gestellt, wenn die Eltern einen Krankheitsschub durchmachen, vor allem, wenn auch noch jüngere Geschwister versorgt werden müssen. Daher kann es zu einer ausgeprägten Rollenumkehr kommen. Die Kinder spüren, dass in ihrer Familie etwas anders ist, aber sie können es nicht einordnen und erst recht nicht ändern. Bis zu 70 Prozent dieser Kinder haben deshalb Anpassungsprobleme, zum Beispiel in der Schule. Von Gleichaltrigen werden sie oft ausgegrenzt, sie hören abfällige Bemerkungen über ihre Eltern.

Dieses Anderssein, die Belastungen im kindlichen und jugendlichen Alltag und die Ausgrenzung erhöhen ihr Risiko, selbst psychisch zu erkranken. Die Forschung geht davon aus, dass Kinder psychisch erkrankter Eltern ein viermal höheres Risiko haben, selbst Auffälligkeiten und Symptome zu entwickeln. Schätzungen gehen deutschlandweit von mindestens drei Millionen Kindern aus, in deren Familien mindestens ein Elternteil psychisch krank ist.

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Was genau ist die Kidstime und wie kann man teilnehmen?

Kidstime wurde vor etwa 25 Jahren in London entwickelt und ist ein Angebot, bei dem Gemeinsamkeit großgeschrieben wird. Um teilzunehmen, muss kein Antrag gestellt werden. Die Familien melden sich bei Petra Bremke-Metscher als Koordinatorin des Programms und können dann ein Erstgespräch mit den Fachkräften der Kidstime führen. Das Angebot richtet sich an Kinder wie Eltern gleichermaßen – einmal im Monat kommen mehrere Familien zusammen, in denen eine elterliche psychische Erkrankung eine Rolle spielt. Im Mittelpunkt stehen Erklärungen zur psychischen Erkrankung, vor allem aber auch das Spiel – gerade Theaterspiel zum Gefühlsausdruck und zum Ausprobieren unterschiedlicher Rollen. Den Kindern wird damit ermöglicht, sich mit Problemen auseinander zu setzen, die sie gerade beschäftigen.

Wie hilft das Angebot den Familien?

Einerseits lernen die Eltern, anders mit ihren Kindern zu kommunizieren, um ihnen keine Schuldgefühle zu bereiten. Andererseits bekommen die Kinder Mittel und Wege aufgezeigt, wie sie reagieren können, wenn ihre Eltern unverständliche Aussagen treffen. Oft sei das ein Hilferuf der Eltern. Fehlendes Erleben von Sicherheit und sprachloser Rückzug gehören zu den Schwierigkeiten der Kinder, die sich oft isoliert und überfordert fühlen. Sie lernen im Workshop, wie sie das Verhalten der Eltern richtig einordnen können. „Sie packen sich im Workshop zum Beispiel einen kleinen Notfallrucksack. Darin sind unter anderem wichtige Rufnummern von Bezugspersonen notiert, zum Beispiel der Großeltern oder einer Nachbarin, die in solchen Situationen helfen. Auch ein Spielzeug oder ein Bild kann ihnen Halt geben und sie vor Kurzschlussreaktionen bewahren“, erklärt Bremke-Metscher.

Die Kinder erfahren zudem, wie psychische Krankheiten entstehen und behandelt werden. Sie sind meist sehr erleichtert, müssen sich aber immer wieder rückversichern, denn sie fühlen sich oft schuldig an der Krankheit ihrer Eltern – gerade wenn etwa Sätze fallen wie „Wegen dir habe ich jetzt Stress“ oder „Willst du, dass ich wieder krank werde?“. Natürlich wollen sie das nicht und schlucken deshalb manches Problem herunter, anstatt sich bei ihren Eltern Unterstützung und Zuspruch zu holen. Nachweislich haben betroffene Kinder schlechtere Entwicklungsmöglichkeiten. Um das zu verhindern, gibt es das präventive Angebot.

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Seit wann gibt es das Angebot der Kidstime schon und wie wird es finanziert?

In Deutschland ist Kidstime vor etwa acht Jahren in Rotenburg (Wümme) gestartet und hat gleich im zweiten Jahr den Niedersächsischen Gesundheitspreis gewonnen. Mittlerweile gibt es mehr als 33 Kidstimes an unterschiedlichen Standorten, vor allem in Norddeutschland, aber auch bundesweit. Die Gruppe in Oldenburg ist während der Pandemie gestartet und möchte nun neue Familien für das Gruppenangebot gewinnen. Eine Lücke im Rahmen der Präventionsarbeit in der Stadt Oldenburg wird geschlossen und bei Bedarf kann eine neue Gruppe gestartet werden.

„Wir verstehen Kidstime nicht als ‚Therapie‘ – die Kinder tragen zwar besondere Risiken, aber sie sind deshalb noch lange nicht krank und daher muss kein Antrag bei der Krankenkasse gestellt werden“, betont Petra Bremke-Metscher. Gelder aus einer Unterstützungsaktion im Theater Laboratorium trugen zum Start des Angebotes im Herbst 2021 in Oldenburg bei. Darüber hinaus beteiligte sich die Prechterstiftung mit einer Anschubfinanzierung. Zunächst bis 2025 ist die Durchführung der Kidstime dank einer Förderung der Gesetzlichen Krankenkassen sowie der Eigenmittel der Stadt Oldenburg gesichert.

Weitere Informationen gibt es bei Petra Bremke-Metscher, Bereichsleitung Frühe Hilfen/Prävention, telefonisch unter 0441 235-3097 oder per E-Mail an petra.bremke-metscher[at]stadt-oldenburg.de.

Quelle Pressemeldung von  Stadt Oldenburg