Anstehender Beginn der Hauptverhandlung bezüglich der Geschehnisse rund um die Elsflether Werft AG
A. Bisheriger Prozessverlauf:
Mit Beschluss vom 14.03.2024 hat die 7. Große Strafkammer (3. Große Strafkammer für Wirtschaftsstrafsachen) die Anklagen der drei Strafverfahren bezüglich der Geschehnisse rund um die Elsflether Werft AG zur Hauptverhandlung zugelassen und jeweils das Hauptverfahren eröffnet.
Mit Beschluss vom gleichen Tag, hat die Kammer die Verfahren zum Zwecke gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung unter dem Aktenzeichen 7 KLs 99/23 verbunden. Hintergrund der Verbindung war insbesondere, dass Ausgangspunkt aller drei Anklagen die Ermittlungsergebnisse der „Sonderkommission Wasser” sind. Diverse in den Anklagen benannte Zeugen, Sachverständige und Urkunden sind identisch.
Das hiesige Verfahren richtet sich nunmehr noch gegen 6 Angeklagte im Alter von 32 Jahren bis 67 Jahren. Gegen einen 35-jährigen Angeklagten wurde das Verfahren zur gesonderten Verhandlung und Entscheidung durch die 7. Große Strafkammer (2. Wirtschaftsstrafkammer) aus gesundheitlichen Gründen kurzfristig abgetrennt.
B. Anklagevorwürfe:
Die drei Anklageschriften enthalten die folgenden Anklagvorwürfe:
I. Anklageschrift vom 02.11.2021, 7 KLs 99/23
(Anklage wegen Betruges in einem besonders schweren Fall zum Nachteil des Marinearsenals Wilhelmshaven gegen zwei ehemalige Vorstände der Elsflether Werft AG.)
Die Staatsanwaltschaft Osnabrück wirft zwei ehemaligen Vorständen der Elsflether Werft AG (EW AG) gewerbsmäßigen Betrug in einem besonders schweren Fall zum Nachteil des Marinearsenals in Wilhelmshaven (MArs) vor. Die beiden Männer sollen zwischen 2014 und 2018 dafür verantwortlich gewesen sein, dass bei der EW AG systematisch unzutreffende Abrechnungen fremder Leistungen von Subunternehmen gegenüber dem MArs erfolgten, wobei dem angeklagten Vorstand Dr. R aufgrund seiner Funktion innerhalb der Vorstandsstruktur lediglich vorgeworfen wird, dass er trotz vorliegender Kenntnis von der Abrechnungspraxis diese ab Kenntnis im Januar 2018 nicht unterbunden habe.
Die EW AG war als Generalunternehmerin nach dem Erhalt eines Zuschlags für ein Instandsetzungsprojekt durch das MArs grundsätzlich befugt, Leistungen auch durch Subunternehmen vornehmen zu lassen und abzurechnen. Die EW AG soll von ihren Subunternehmern teilweise Preisnachlässe (Gutschriften) eingefordert und diese dann auf Veranlassung bzw. mit Billigung der angeklagten ehemaligen Vorstände pflichtwidrig nicht gegenüber dem MArs angezeigt und in Abzug gebracht haben. Die mit einzelnen Projekten befassten Projektleiter sollen ferner dazu angehalten worden sein, bei den Subunternehmern die Gutschriften einzufordern und dafür zu sorgen, dass diese Gutschriften auch nicht gegenüber Mitarbeitern des MArs offenbart würden. Die Gutschriften von in der Regel 15 % der Auftragssumme sollten im Falle der Auftragserteilung nach Auftragsdurchführung mit der Schlussrechnung gewährt, jedoch auf Verlangen der Angeklagten bzw. deren angewiesenen Projektleitern, weder im schriftlichen Angebot noch in deren Rechnung ausgewiesen werden.
Die Anklageschrift umfasst insgesamt 11 Instandsetzungsprojekte der EW AG, u.a. auch die Instandsetzung des Segelschulschiffs Gorch Forck, bei denen jeweils Gutschriften oder reduzierte Rechnungen bewusst nicht ordnungsgemäß an das MArs weitergeleitet und somit in der Folge zu hohe Zahlungen durch Mitarbeiter des MArs an die EW AG veranlasst worden sein sollen.
Der angeklagte ehemalige Vorstand W. soll laut Anklageschrift zudem die Mitarbeiter angewiesen haben, bei Eigenleistungen der EW AG den Stundensatz über die tatsächlich geleisteten Werftarbeitsstunden hinaus unter Verwendung manipulierter Stundennachweise überhöht abzurechnen, um der EW AG auch so eine unberechtigte zusätzliche Einnahmequelle zu verschaffen.
Durch die unzutreffende Rechnungslegung der EW AG gegenüber dem MArs soll diesem ein Gesamtschaden in Höhe von 7.204.502,27 Euro entstanden sein.
Die auf die Einzelprojekte entfallenen Einzelschäden sollen sich auf Beträge zwischen ca. 48.000,- Euro und ca. 1,6 Millionen Euro belaufen, wobei auf die Instandsetzung des Segelschulschiff Gorch Fock eine Summe von 247.317,28 Euro entfallen soll. Durch falsche Stundenzettel allein soll ein Schaden in Höhe von über 135.000,- Euro verursacht worden sein.
Der Betrug im besonders schweren Fall ist mit Freiheitsstrafe zwischen 6 Monaten und 10 Jahren strafbewehrt.
II. Anklageschrift vom 02.11.2021, 7 KLs 101/23
(Anklage wegen Vorteilsannahme gegen Kostenprüfer Marinearsenal sowie wegen Vorteilsgewährung gegen zwei Vorstände der EW AG sowie des Geschäftsführers eines Subunternehmens und dessen Prokuristin)
Dem technischen Kostenprüfer des Marinearsenals wird in der Anklageschrift Vorteilsannahme in sieben Fällen vorgeworfen. Er soll auf Veranlassung des ehemaligen Vorstands W. der EW AG von dem Unternehmen in den Jahren 2016 und 2017 zwei Darlehen in Höhe von je 400.000 Euro sowie in zwei weiteren Fällen Werkzeuge und Dienstleistungen im Wert von ca. 2.800 Euro erhalten haben. Von einem in Schleswig-Holstein ansässigen Unterauftragnehmer der EW AG soll der Kostenprüfer in den Jahren 2017 und 2018 für Beratungsleistungen drei Zahlungen in Höhe von insgesamt ca. 37.000 Euro erhalten haben.
Aufgrund des zuvor genannten Sachverhalts wird dem ehemaligen Vorstand W. der EW AG mit der Anklage Vorteilsgewährung in vier Fällen, in einem Fall gemeinschaftlich mit dem weiteren ehemaligen Vorstand Dr. R der EW AG. Dem Geschäftsführer und der Prokuristin des Unterauftragnehmers wird gemeinschaftliche Vorteilsgewährung in drei Fällen zur Last gelegt.
Die Angeklagten sollen die Zuwendungen an den Kostenprüfer geleistet haben, um dessen Wohlwollen bei seiner Tätigkeit als Kostenprüfer zu gewinnen.
Ein Zusammenhang zwischen der Annahme der Darlehen und der Kostenexplosion bei der Instandsetzung der „Gorch Fock” konnte nicht hergestellt werden.
An dem Strafverfahren wurde zudem die Beteiligung eines Unternehmens mit dem Ziel der Festsetzung einer Verbandsgeldbuße angeordnet.
Das Gesetz sieht für Vorteilsnahme (§ 331 StGB) bzw. Vorteilsgewährung (§ 333 StGB) jeweils Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe vor.
III. Anklageschrift vom 10.12.2021, 7 KLs 100/23
(Anklage gegen zwei ehemalige Vorstände der EW AG wegen besonders schwerer Untreue, vorsätzlich unerlaubten Betreibens von Bankgeschäften, Verletzung der Buchführungspflicht und Insolvenzverschleppung sowie gegen eine Prokuristin der EW AG wegen unerlaubten Betreiben von Bankgeschäften bzw. Beihilfe hierzu)
Die Anklageschrift richtet sich gegen zwei ehemalige Vorstände sowie eine ehemalige Mitarbeiterin der EW AG und umfasst den Tatzeitraum vom 10.07.2009 bis zum 31.01.2019.
Die Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten im Wesentlichen vor, neben der eigentlichen Tätigkeit der EW AG als Werftunternehmen vorsätzlich wie ein Bankinstitut Darlehen vergeben bzw. daran mitgewirkt zu haben, ohne über die dafür erforderliche Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zu verfügen.
Im Kreditwesengesetz (§ 54 KWG) ist insoweit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe angedroht.
Ein Großteil der betroffenen Darlehensmittel – die Staatsanwaltschaft Osnabrück geht insoweit von fast 11 Mio. Euro aus – soll seit Sommer 2015 zunächst darlehensweise an ein Tochterunternehmen der EW AG geflossen sein. Jene Firmentochter soll Finanzmittel wiederum darlehensweise an unterschiedliche Empfänger im In- und Ausland weitergeleitet haben. Hauptdarlehensnehmerin soll ein von den ehemaligen Vorständen beherrschtes Unternehmen gewesen sein.
Zudem wird den ehemaligen Vorständen der EW AG ergänzend in zwölf Fällen jeweils Untreue in besonders schweren Fall vorgeworfen.
Dies betrifft Darlehen in Höhe von 2,4 Mio Euro, die ab dem 02.05.2018 aus dem Vermögen der EW AG gewährt worden sein sollen. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die EW AG spätestens ab diesem Zeitpunkt insbesondere aufgrund hoher Lieferantenverbindlichkeiten nicht mehr in der Lage gewesen sei, mit ihren vorhandenen Mitteln bzw. erwarteten Einnahmen die fälligen Verbindlichkeiten und geplanten Ausgaben zu begleichen. Des Weiteren wird davon ausgegangen, dass die Ansprüche auf Rückzahlung jener Darlehen aufgrund der von dem darlehensnehmenden Unternehmen eingefahrenen erheblichen Verluste und seines negativen Eigenkapitals bereits zum Zeitpunkt der Darlehensausreichungen vollständig wertlos gewesen seien.
Das Gesetz sieht für besonders schwere Untreue einen Strafrahmen vor, der von Freiheitsstrafen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren reicht.
Den zwei ehemaligen Vorständen der EW AG wird zudem zur Last gelegt, vorsätzlich weder den ab April 2018 erforderlichen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt noch die Jahresbilanz der EW AG für das Geschäftsjahr 2017 aufgestellt zu haben.
Das Gesetz sieht für die Insolvenzverschleppung Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bzw. für die Verletzung von Buchführungspflichten Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe vor.
Für die Beihilfe ist die jeweilige Strafe zu mildern.
Pressemeldung von Landgericht Oldenburg